Besserung beim Bau und bei Exporten Deutsche Wirtschaft im ersten Quartal leicht gewachsen
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Zugproduktion bei Alstom: Durchgreifende Wende bei der Konjunktur bislang nicht in Sicht
Foto: Julian Stratenschulte / dpa / picture allianceDie deutsche Wirtschaft ist mit einem leichten Plus ins Jahr gestartet und damit an einer Rezession vorbeigeschrammt. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs von Januar bis März um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, teilte das Statistische Bundesamt mit. Das ist das größte Plus seit einem Jahr.
Den Statistikern zufolge wurde das Wachstum zu Jahresbeginn von Anstiegen der Bauinvestitionen und der Exporte getragen.
Im vierten Quartal 2023 war Europas größte Volkswirtschaft noch um 0,5 Prozent geschrumpft. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von einer technischen Rezession gesprochen.
Im Gesamtjahr 2023 rutschte Deutschland mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts, der nach neuesten Berechnungen preisbereinigt minus 0,2 Prozent betrug, in eine leichte Rezession. Die exportorientierte deutsche Wirtschaft bekam die Abkühlung der Weltkonjunktur ebenso zu spüren wie die zeitweise hohen Energiepreise und die rasant gestiegenen Zinsen. Zudem fehlen Fachkräfte und Unternehmen klagen über zu viel Bürokratie.
Die Hoffnung auf einen Konsumaufschwung in Deutschland wird nun durch überraschend positive Nachrichten aus dem Einzelhandel gestützt: Dort stieg der Umsatz im März mit real 1,8 Prozent zum Vormonat so stark wie seit fast zweieinhalb Jahren nicht mehr. »Es wächst die Hoffnung, dass der nahende Frühling den Konsum weiter anstacheln wird«, sagte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank.
Auch Volkswirte sehen inzwischen Anzeichen für eine Wende zum Besseren. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im April weiter aufgehellt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, für den regelmäßig etwa 9000 Unternehmen befragt werden, stieg den dritten Monat in Folge.
Die Bundesbank sieht die heimische Wirtschaft allerdings noch nicht vor einem anhaltenden Aufschwung. »Die Konjunktur in Deutschland hat sich etwas aufgehellt, eine durchgreifende Belebung ist aber noch nicht gesichert«, heißt es im aktuellen Monatsbericht. So dämpften die gestiegenen Finanzierungskosten und die erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Die Nachfrage nach Waren »Made in Germany« aus dem In- und Ausland sei nach wie vor schwach. Auch im Wohnungsbau sei der Negativtrend in der Nachfrage noch nicht gebrochen.
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, sieht trotz des Wachstums zu Jahresbeginn politischen Handlungsbedarf. Er rechnet damit, dass die deutsche Wirtschaft 2024 stagnieren wird, »auch weil die Standortqualität seit vielen Jahren erodiert und die Bundesregierung nicht entschieden gegensteuert«. Krämer sagte, das Plus im ersten Quartal gehe teilweise auf die ungewöhnlich milde Witterung zurück, von der die Bautätigkeit profitierte. »Positiv ist auch, dass die konjunkturellen Stimmungsindikatoren mittlerweile nicht nur in Deutschland nach oben weisen.«
Auch der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Guido Baldi, sieht Hoffnungszeichen. Er schränkte zugleich ein: »Strukturelle Herausforderungen bleiben aber bestehen und dämpfen das Trendwachstum vorerst weiterhin – von der Alterung der Bevölkerung über die Rückstände bei der Digitalisierung bis hin zur lange verschleppten Energiewende.«
Die Bundesregierung hatte ihre Prognose für das Wachstum von Europas größter Volkswirtschaft in diesem Jahr angehoben – allerdings nur minimal von 0,2 auf 0,3 Prozent. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge schlägt sich keine andere große Industrienation schlechter. »So richtig deutliches Wachstum wird es wohl erst 2025 geben«, sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch voraus.
Frühjahrsbelebung in der Eurozone
In der Eurozone zeichnet sich indes eine wirtschaftliche Erholung ab. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Euroraum legte von Januar bis März im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent zu, wie das Statistikamt Eurostat in einer ersten Schätzung mitteilte. In den beiden Vorquartalen war die Wirtschaft laut Eurostat um jeweils 0,1 Prozent geschrumpft und steckte damit in einer sogenannten technischen Rezession.
Nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB), die eine Zinswende im Juni ins Auge fasst, dürfte sich im Laufe des Jahres eine schrittweise konjunkturelle Erholung einstellen. Die Fachleute der EZB erwarten für das Gesamtjahr ein Plus beim BIP von 0,6 Prozent.
Ein zarter Frühjahrsaufschwung zeichnet sich bereits ab: Die Wirtschaft in der Eurozone ist einer Umfrage zufolge im April so kräftig gewachsen wie seit einem knappen Jahr nicht mehr. Eine niedrigere Inflation und höhere Löhne stärken derzeit die Kaufkraft der privaten Haushalte, wovon der Servicesektor profitiert. Der Industriesektor, der weiterhin auf Talfahrt ist, bleibt hingegen das Sorgenkind.