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Neuer Habeck-Plan: CO₂ soll unter der Nordsee verstaut werden

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Bundeswirtschaftsminister Habeck präsentiert neue Pläne für den Klimaschutz. Doch die Methode der CO2-Abscheidung und -Nutzung spaltet die Meinungen.

Berlin – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betritt ab jetzt Neuland: Am Montag (26. Februar) präsentierte er Strategien zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von Kohlendioxid (CO₂), genannt Carbon Caputre an Storage (CCS). Solche Methoden werden von Kritikern oft als technologische Utopien oder Alibis für echten Klimaschutz betrachtet. Dennoch haben sich einige Umweltorganisationen kürzlich offen dafür gezeigt.

CO₂ soll unter dem Meer gespeichert werden - nicht an Land

Konkret will Robert Habeck klimaschädliches CO₂ in bestimmten Branchen wie der Zementindustrie abscheiden und speichern. Dies solle auf hoher See geschehen, sagte der Grünen-Politiker am Montag in Berlin. „Die Technik ist sicher.“ Das CO₂ bleibe in der Erde. An Land solle die Speicherung weiter untersagt bleiben. Es brauche jetzt aber Gesetzesänderungen, um den Transport von abgeschiedenem CO₂ auf Industrieprozessen zu erlauben.

CCS soll helfen, das Langfrist-Ziel zu erreichen, bis 2045 klimaneutral zu werden. Dies sei nicht in allen Branchen möglich, weswegen CCS als wichtiger Baustein zur Ergänzung gilt. Habeck sagte, die Bundesregierung habe sich auf ein erstes Eckpunktepapier verständigt. Dieses dürfte nun in den nächsten Monaten im Detail diskutiert werden.

Bei CCS-Verfahren wird CO₂ am Entstehungsort eingefangen und anschließend unter hohem Druck im Untergrund von Land oder Meer gespeichert. „Carbon Capture and Utilization“ (CCU)-Technologien hingegen nutzen den abgeschiedenen Kohlenstoff, beispielsweise als Kohlensäure in der Getränkeindustrie oder zur Synthese von Grundchemikalien. In Deutschland ist die CCS-Technologie derzeit nur zu Forschungszwecken zugelassen.

CCS notwendig, um bis 2045 klimaneutral zu werden

Das Wirtschaftsministerium weist auf Industrieemissionen hin, die schwer oder gar nicht zu vermeiden sind, wie beispielsweise bei der Herstellung von Zement und Kalk oder der Verbrennung von Abfällen. „Um auch in diesen Feldern unsere Klimaziele erreichen zu können und zugleich unseren Industriestandort zu sichern, brauchen wird die Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO₂“, so das Ministerium. Die geplante Strategie soll auch CCU-Verfahren beinhalten. In der Strategie werden wahrscheinlich potenzielle Einsatzbereiche genauer definiert und Regeln für einen möglichen Ausbau der Technologien festgelegt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kommt bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts auch auf Alexej Nawalny zu sprechen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat seine Carbon-Management-Strategie vorgestellt (Archiv). © Carsten Koall/dpa

Ein Bericht der Bundesregierung bezieht sich auf aktuelle Studien, die besagen, dass der Einsatz von CCS „in erheblichem Maßstab notwendig“ ist, um bis 2045 in Deutschland klimaneutral zu sein. Tatsächlich kommt kein Szenario des Weltklimarates, das eine Begrenzung der Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit vorsieht, ohne die Abscheidung und Speicherung von CO₂ aus.

Die weltweit existierenden Projekte speichern jedoch bei weitem nicht so viel CO₂, wie es für die modellierten Pfade erforderlich wäre. Die derzeitigen CCS-Anlagen speichern weniger als 50 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr, ein Bruchteil der weltweiten Emissionen.

Das Umweltbundesamt warnt vor dem hohen Energieaufwand, der für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung von Kohlendioxid erforderlich wäre. Eine Studie der Bundesbehörde kam 2019 zu dem Schluss, dass Deutschland allein durch natürliche Senken – also natürliche Landschaften, in denen CO₂ langfristig gespeichert wird, wie Wälder und Moore – klimaneutral werden könnte. Sie plädiert für eine Strategie der Aufforstung und Wiedervernässung der Moore anstatt in CCS zu investieren.

Breites Bündnis von Umweltorganisationen sind für CCS

Umwelt- und Klimaorganisationen sind sich angesichts solcher Zweifel uneinig über den Nutzen von CCS- und CCU-Verfahren. In einem eher ungewöhnlichen Bündnis mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zeigten sich der Nabu und WWF grundsätzlich offen. In einem im Januar veröffentlichten Positionspapier hieß es, CCS und CCU seien ein relevanter Baustein, um die Klimaziele zu erreichen. Die Priorität liege jedoch bei der Vermeidung und Reduzierung von CO₂.

Andere Umweltorganisationen, darunter die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), kritisierten die Pläne der Bundesregierung scharf. Sie warnten, dass CCS eine Scheinlösung sei, die den Ausstieg aus fossilen Energien verhindere und weitreichende Klima- und Umweltschäden befürchten lasse. Bislang sei nicht nachgewiesen, dass die dauerhafte, sichere Lagerung großer Mengen verpressten Kohlenstoffdioxids im Untergrund möglich sei.

Die Befürworter ließen in ihrem Positionspapier offen, ob das abgeschiedene CO₂ auch in Deutschland eingelagert werden sollte. Als mögliche Standorte zieht die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ausgebeutete Erdgaslagerstätten und tiefe, Salzwasser führende Gesteinsschichten, sogenannte salinare Aquifere, in Betracht. Diese liegen vor allem in Norddeutschland.

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